Hommage für Walter & Marianne Kaiser Teil 3

Eine Hommage von Evelyne & Michael Scherer
2004 publizierten Evelyne & Michael anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der grossartigen Erfolge von Walter & Marianne Kaiser in Blackpool und an Europa- und Weltmeisterschaften eine höchst umfangreiche Recherche über die Tanz-Karriere von Walter & Marianne Kaiser.

Wir danken für die Genehmigung diese hervorragende Arbeit hier zu präsentieren!
dance! publiziert die gesamte Hommage im Original-Text.

 

 

Höhen und Tiefen 1965

 

1964-09_the_dance_and_music_japan_seite_1_titelblattDie Erfolge von Walter und Marianne Kaiser fanden weltweite Beachtung: nicht nur in England und Deutschland, wo sie die meisten Turniere und Meisterschaften bestritten, und ihrem Heimatland Schweiz, nein, in ganz Europa, in Australien, Japan, Südafrika bis in die USA, in allen Turniertanz-Traditionsländern wurde viel über sie geredet und geschrieben. Als Beispiel sei eine Tanzzeitschrift aus Japan aufgeführt, die monatlich erschienene „the dance and music“ vom September 1964, bei der Walter und Marianne Kaiser das Titelblatt zieren und im Innern über ihren Sieg in Blackpool und die Weltmeisterschaften von Berlin berichtet wird (Format 26 x 18,5 cm, Umfang 52 Seiten):

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Der Höhepunkt in der Schweizer Tanzschul-Geschichte dürfte der Fernseh-Tanzkurs „Darf ich bitten?“ mit Walter und Marianne Kaiser gewesen sein (1961-65). Dies verhalf nicht nur Walter und Marianne Kaiser sondern dem gesamten Gesellschafts- und Turniertanz in der Schweiz zu unvergleichlicher Popularität!

Hier zum Bericht der Illustrierten Zeitung: Bericht TV-Tanzkurs „Darf ich bitten?“ 1964

 

 

Bericht in der Schweizer Illustrierte Nr. 31, 27. Juli 1964, Seite 20
(Interne Info: Doppelseite A3 in zwei Bilderrahmen)

Zwei junge Zürcher in der Weltelite des Turniertanzes
Walter Kaiser hatte schon immer Freude am Tanzen gehabt. Um dieses Hobby aber in einen Beruf zu verwandeln, fehlte ihm lange Zeit das Wichtigste: die geeignete Partnerin. Im Jahre 1958 hatte er endlich Glück. Er lernte seine Frau Marianne, eine gebürtige Österreicherin, kennen, und 1959 eröffnete das Ehepaar seine noch heute bestehende Tanzschule. Jetzt konnte Walter Kaiser seinen Traum verwirklichen. Nicht nur tanzbeflissene Privatleute wurden in dieser Kunst unterwiesen, auch an sich selbst begannen die Kaisers zu arbeiten. Sie übten für Tanzturniere! Und siehe da, schon nach einem Jahr, 1960, tanzten sie an einem Turnier, ein Jahr darauf kamen sie in den Halbfinal und seit 1962 sind sie immer im Final der grossen internationalen Tanzturniere gewesen. Von Wettbewerb zu Wettbewerb arbeiteten sie sich immer um eine ganze Stufe hinauf. Ohne es zu wollen, entwickelten sie sich dabei unversehens zu Spezialisten in den lateinamerikanischen Tänzen, bei denen es mehr auf den Rhythmus als auf die Bewegung ankommt. Marianne Kaisers zierliches Tanagrafigürchen ist wie geschaffen für Samba und Paso Doble, und Walter Kaiser liegt der Rhythmus im Blut. Trotzdem ziehen die beiden nach wie vor die klassischen Standardtänze vor. Doch die Entscheidung wurde ihnen buchstäblich aus den Händen, oder vielmehr unter den Füssen weggenommen. Sie gelten heute als „lateinamerikanische Kaiser“. Marianne Kaisers Augen bekommen einen geradezu verträumten Ausdruck und Sehnsucht klingt in ihrer Stimme mit, wenn sie vom Standardtanz spricht. „Die klassischen Tänze sind doch ganz etwas anderes! Ein schöner English Waltz ist einfach herrlich. Und schon das Dekor ist viel feierlicher, die Herren tragen alle Frack…“ Ihr Blick bleibt dabei auf einer lebensgrossen Fotos an der Wand ihres Tanzstudios hänge, auf der das Paar für alle Zeiten mit schwingendem Tüllrock und flatternden Frackschössen in einer Standardfigur festgehalten ist.

Diesen Frühling nahm die Karriere der Kaisers einen gewaltigen Schritt nach vorn. Am „Grossen Preis von Europa“ in München wurden sie Zweite in den lateinamerikanischen Tänzen, und anfangs Mai belegten sie an den Weltmeisterschaften in Berlin den dritten Platz. Schon vier Tage später erlebten sie in England den Triumph, mit nur englischen Schiedsrichtern das englische Paar zu schlagen, das vor ihnen im Klassement gelegen war.

Frau Kaiser wird in Fachzeitschriften für ihre „gepflegte gesellschaftliche Aufmachung“ gerühmt. Wir fragten die zierliche, dunkelhaarige, junge Frau, wer ihre schönen Kleider anfertige, und erfuhren zu unserem grossen Erstaunen, dass sie neben ihrer Lehrtätigkeit noch Zeit findet, sie selbst zu nähen. Sie hat sich erst eines von einer Schneiderin machen lassen, und auch das nur, „weil diese so gern einmal wollte“. Sie lacht gerne, die sympathische junge Frau, und ihr Mann scheint ständig eine unsichtbare Musik zu hören. Er ist stets in Bewegung, wie wenn er sich schon wieder die nächste Tanzfigur ausdenken würde.

Marianne und Walter Kaiser geben zu, dass sie viel zu wenig trainieren. Man sollte eigentlich mindestens zwei Stunden im Tag üben, doch bleibt ihnen dafür durch ihre Tanzschule oft keine Zeit. Sie sind auch durch die Lehrtätigkeit immer „mitten drin“, und sie wollen nicht so weit kommen wie andere Turniertänzer, die sich nicht einmal mehr Ferien gönnen. Ihre Tanzschule beherbergt jetzt oft nicht bloss junge Leute und ältere Paare, die sich in den neuesten Modetänzen unterweisen lassen wollen („Jede neue Verrücktheit, die sich nur kurze Zeit hält, machen wir aber nicht mit!“), sondern auch Meisterschüler aus Deutschland, Teilnehmer kleinerer Turniere, die sich bei den Spezialisten perfektionieren wollen. Neuerdings werden die lateinamerikanischen Vizeeuropameister bei Fachlehrertagungen zugezogen, um den Berufskollegen „Latins“ beizubringen. Die Tanzpädagogik ist es denn auch, die Walter Kaiser am meisten am Herzen liegt. Er spielt mit dem Gedanken, eines Tages die Turniere aufzugeben, um sich nur noch auf die Schule zu konzentrieren. Aber in diesem Moment, da die Tür zum Weltruhm auf ihrem Gebiete weit offen steht, wäre es natürlich schade, den Meisterschaften zu entsagen.

„Welches Gefühl hat man beim feierlichen Einmarsch in einen Saal, in dem sich noch viele andere Paare befinden, gegen die man gleich ein Turnier wird austragen müssen?“ fragen wir das Kaiserpaar. „Zuallererst schauen wir uns den Boden an. Ein gutgepflegtes Parkett, auf dem sich die Dame mühelos drehen kann, ist sehr wichtig. Dann horchen wir auf die Musik. Von der Band sind wir stärker abhängig als von den Jurymitgliedern! Auch auf die Atmosphäre im Saal kommt es an. Nein, untereinander fechten die Turnierteilnehmer natürlich keine kleinlichen Fehden aus! Und da wir jetzt schon an so vielen Meisterschaften getanzt haben, ist unser Lampenfieber praktisch weg.“

Marianne und Walter Kaiser sind den schweizerischen Fernsehern gut bekannt. Im Tanzkurs „Darf ich bitten?“ unterrichten sie eine Reihe ganz verschiedener Leute im Studio unter den „Augen“ der Kameras. Wiedersehen konnten die Fernseher mit den Kaisers am 4. Juli feiern, denn da wurden die Darbietungen des grossen Sommernachtsballs der Tanzschule (jedes Jahr findet ein solcher Ball statt) als internationale Tanzparty vom Fernsehen übertragen. Obwohl dieser Ball viel Vorbereitungsarbeit erforderte – es mussten unzählige Einladungen verschickt werden – freuten sich die Veranstalter auf dieses Fest.

Bevor wir uns verabschiedeten, stellten wir dem Paar noch eine letzte Frage: „Sagen Sie, gehen Sie eigentlich auch noch tanzen wie ‚gewöhnlich Sterbliche’, d.h. abends mal ins Dancing oder so?“ Marianne lacht, „Ich ginge ja schon gern, aber mein Mann kann einfach nicht. Wer tagsüber so viel mit Tanz zu tun hat, ruht abends gern aus.“

So hat die urdemokratische Schweiz doch ein Kaiserpaar – ein sehr graziöses übrigens. – G.B.

 

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Am 26. April 1965 fanden die Weltmeisterschaften der Professionals Latein im Empire-Pool in Wembley / London statt. Und was sich schon Monate zuvor angedeutet hatte wurde Realität: Walter und Marianne Kaiser schwangen obenauf und zwar deutlich und wurden Weltmeister!

 

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Weltmeister der Professionals Latein 1965:
Walter und Marianne Kaiser, Schweiz
Grossartig!!!
(2. Bill & Bobbie Irvine, 6. Wolfgang & Evelyn Opitz)

Für ein absolutes Ausnahmepaar, wie es Walter und Marianne Kaiser darstellt, hat man immer zu wenig Material für eine entsprechende Würdigung. Dies trifft insbesondere auch auf ihren Weltmeistertitel zu. In der Tanz Illustrierten vom Mai / Juni 1965 (Nr. 151), Seite 20, bin ich doch noch fündig geworden:

Weltmeisterschaften 1965
„Die Weltmeisterschaften für Amateure und Professionals fanden 1965 erstmalig in dem ausserhalb der Londoner City gelegenen ‚Empire Pool‘ neben dem Wembley-Stadion statt. Von Mecca-Dancing, den bekannten Förderern des Tanzsports, ausgerichtet und von Eric Morley, dem Mann mit der ’seidenen Peitsche‘, wie immer straff geführt, erbrachten sie auf dem Professional- wie auf dem Amateur-Sektor spannende, hin und wieder sogar dramatische Runden.

Um die wichtigsten Ergebnisse vorwegzunehmen:

Amateure: Das englische Paar Westley wurde Weltmeister in den Standard- wie in den LA-Tänzen und erklärte seinen Übertritt zu den Professionals.

Professionals: Das englische Paar Irvine wurde Weltmeister in den Standardtänzen und erklärte, sein letztes Turnier getanzt zu haben. Weltmeister in latein-amerikanischen Tänzen wurde erstmalig ein Paar aus der Schweiz, die Kaisers aus Zürich…

Fred Dieselhorst (ausgewiesener Experte und Kenner der Szene, internationaler Professional-Wertungsrichter):

‚Kaisers waren ganz klar und deutlich besser als die Irvines (LA). Eventuell könnte man im Zweifel sein, ob O’Hara oder Krehn auf den dritten Platz gehört hätten. O’Hara war schwächer als sonst, und Krehns tanzten in der Form ihres Lebens! Opitz hatte etwas Pech bei seiner Gegenüberstellung zu v. Reenen / Meister. Die Südafrikaner sind aber zweifellos ein ausgezeichnetes Paar.“

(Der fürs Folgeheft der Tanzillustrierten versprochene Bildbericht über die Weltmeisterschaften erschien leider nicht, auch nicht in den Folgenummern.)

 

 

 

Es wurde schon angesprochen: Erfolge in der Grössenordnung, wie sie von Walter und Marianne Kaiser realisiert werden konnten, lösen eine unglaubliche Dynamik aus. Die Popularität von Walter und Marianne Kaiser stieg sprunghaft an, im In- und Ausland rissen sich die Veranstalter, Journalisten, Gesellschafts- und Turnierpaare um die Welt-Nummer 1 der Lateintänze, die Welt lag ihnen zu Füssen und stand für alles offen.

Mit unglaublichem Engagement versuchten Walter und Marianne Kaiser, alles unter einen Hut zu bringen: Turnierkarriere, Tanzschule, Privatleben. Lange Zeit gelang ihnen dies äusserst gut, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere privat dann leider nicht mehr.

Im Sommerhalbjahr 1965, zwischen der Weltmeisterschaft im April 1965 und der Europameisterschaft im Oktober 1965, liessen sie sich scheiden…

 

 

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Europameister der Professionals Latein 1965:
Walter und Marianne Kaiser, Schweiz

Hier zu den Berichten zu den Europameisterschaft Professional Latein 1965 in Berlin

173_mk_marianne_kaiserNicht auszumalen, wie oft Walter und Marianne Kaiser ihre Titel hätten verteidigen können! In den Folgejahren bis in die 70er-Jahre hinein dominierten Paare wie Irvines (Comeback), O’Haras, Opitz, Trautz, alles Paare, die Kaisers im Latein stets hinter sich gelassen hatten. Walter und Marianne Kaiser wären zweifelsohne über Jahre hinaus Seriensieger gewesen…

Dass Walter und Marianne Kaiser auf dem internationalen Parkett vermisst wurden, versteht sich von selbst.

Friedrich Ernst von Garnier, ein kritischer Zeitgenosse und Gründer der Zeitschrift „tanzsport“ schreibt über das Jahr 1965 und die Welt- und Europameisterschaften der Professionals:

„1965: Die Weltmeisterschaften sind im London Wembley Pool Stadium, das sonst u.a. auch grosse Boxkämpfe sieht. Die Profititel gewinnen hier Irvines im Standard und die überragenden Schweizer Walter und Marianne Kaiser (Zürich) in den latein-amerikanischen Tänzen. Europameister der Profis werden Eggleton (Standard) und Kaiser. Kurz danach trennen sich die Kaisers.“

Im Bericht über die Latein-Europameisterschaft der Professionals 1966 steht u.a.: „Ferner fehlen die Europameister des Jahres 1965, Walter und Marianne Kaiser (Zürich); das Paar hat sich getrennt. Walter Kaiser tanzt sich zwar mit einer neuen Partnerin ein, fühlt sich aber mit ihr wahrscheinlich noch nicht wieder fit für internationale Meisterschaften…“ (Tanz Illustrierte November 1966)

 

 

 

Hier folgt später der 4. Teil…

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