Bericht vom WDSF-Kongress

 

Auch in diesem Jahr hat die WDSF (ehem. IDSF) die German Open Champinship GOC als Plattform für diverse Weiterbildungen genutzt. Top-Referenten, hochklassige Demonstrationspaare, beste Infrastruktur, motivierte Teilnehmer, das ist das Rezept für eine gute Ausbildung.

Neuer Wiener-Walzer Figuren-Katalog

Im Vorfeld der GOC hat die WDSF-Academy in Zusammenarbeit mit der WDSF-PD (World Dance Sport Federation – Professional Division) den neuen Figurenkatalog im Wiener Walzer vorgestellt. Ausschnitte aus diesem Lehrgang sind hier zu finden:

The Development of the Viennese Waltz Part I

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

The Development of the Viennese Waltz Part II

The Development of the Viennese Waltz Part III

 

An den Turnieren der GOC konnte man sehen, dass bereits viele Spitzenpaare diesen „New Way of Viennese Waltz“ im Wettkampf umgesetzt haben. Die Zukunft wird zeigen, ob die neuen Figuren auf eine breite Akzeptanz stossen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Wertungsrichter-Weiterbildung

Einen Tag nach der GOC stand die Weiterbildung der Wertungsrichter auf dem Programm. William Pino und Martina Wessel-Therhorn (Standard) sowie Viktor Nikovsky und Horst Beer (Latein) liessen dabei auch die während 5 Tagen an der GOC gemachten Beobachtungen in ihre spannenden und von mehreren Weltspitzenpaaren hervorragend visualisierten Lectures einfliessen.

Einmal mehr war die Qualität im Tanzen das zentrale Thema aller vier Referenten. Doch es wäre zu kurz gegriffen, in diesem Zusammenhang nur von „Back to the Roots“ und/oder „Back to the Basics“ zu sprechen. Denn nebst sauberem, lesbarem, qualitativ hochstehendem Tanzen sollte sich der Tanzsport stets weiter entwickeln. Dabei geht es auch darum, die Grenzen durch neue Bewegungselemente oder neu interpretierte „Klassiker“ immer wieder neu auszuloten. Wie schmal dabei der Grat zwischen Top und Flop sein kann, haben die Demonstrationspaare eindrücklich aufgezeigt, denn es stellt sich immer wieder die Frage, wie stark Sport und Athletik im Tanzen die Kunst beeinflussen dürfen.

Für William Pino ist spätestens dann die Grenze erreicht, wenn die Beziehung zum Partner und zur Musik negativ beeinträchtigt wird. Nebst seinem Votum für qualitativ hochstehendes Tanzen in steter Harmonie mit dem Partner und der Musik plädierte William Pino auch für ein stufen- und altersgerechtes Werten. So sollten Jugendpaare nicht als junge und Senioren nicht alte Hauptklassepaare betrachtet werden. Bei jungen oder unterklassigen Paaren soll primär die Maschinerie (Zitat Pino) sprich die Mechanik/Technik/Basic im Fokus der Wertungsrichter stehen. Mit zunehmendem Alter und Leistungsniveau gewinnen dann auch Punkte wie Verhältnis zur Musik und zum Partner, Choreographie als Ausdrucksmittel und der persönliche Stil an Bedeutung. Doch William Pino warnte gleichzeitig auch davor, persönlichen Ausdruck und Interpretation bei der Bewertung zu stark zu gewichten, denn sie sind letztendlich sehr individuell und somit auch nur sehr schwer bewertbar. Bei Seniorenpaaren wäre hingegen weniger oft mehr. Denn nicht selten scheinen sie Sklaven der eigenen Choreographie oder des angestrebten, den Hauptklassepaaren nacheifernden Bewegungsumfanges zu sein.

Zum Schluss ging William Pino auf zwei immer wieder beobachtete Fehler ein. Zum einen werden gute Herren mit schwachen Damen meist besser bewertet als gute Damen mit schwachen Herren. Wenn man bei der Wertung ein Paar als Einheit betrachtet, gibt es dafür allerdings keinen nachvollziehbaren Grund. Selbst die klassische Rollenverteilung „Herr führt und Dame folgt“ wird je länger je mehr durch ein Teamwork abgelöst, bei welchem die Rollen je nach Bewegungselement auch mal vertauscht sein können.

Eine weitere „Wertungsrichtersünde“ betrifft die Wertung eines Paares gegen sich selbst d.h. der Vergleich eines Paares mit seinen vorangegangenen Leistungen, statt dem aktuellen Vergleich mit den andern Paaren. Vermeiden lassen sich die klassischen Wertungsrichterfehler u.a. dadurch, indem man sich möglicher Fehlerquellen immer bewusst ist und selbstkritisch seiner Rolle als Wertungsrichter gegenüber steht.

Für Martina Wessel-Therhorn bedeutet das Gegenstück vom verpönten „höher, weiter, schneller“ nun nicht automatisch klein, langsam und langweilig. Auch sie plädierte für eine stete Weiterentwicklung des Tanzsports. Und dazu gehört je nach Tanz und Figur auch Geschwindigkeit, aber nur, wenn sie jederzeit kontrolliert ist. Interessanter und besser als absolute Geschwindigkeit ist die Dynamik in der Bewegung d.h. der Unterschied zwischen sehr schnellen und sehr langsamen Elementen. Abbremsen um zu beschleunigen, Licht und Schatten, differenzierte Rhythmen, scharf, sanft, schnell, langsam, stets kontrolliert bis hin zur absoluten Ruhe. Das sind alles Stilmittel, um das Tanzen interessant und attraktiv zu gestalten.

Nebst der Steuerung der Geschwindigkeit ist es ebenso wichtig, Kontrolle und Führung zur Floorcraft einzusetzen. Martina Wessel-Therhorn stellte sogar die Frage in den Raum, ob man Paare die wiederholt durch fehlende Floorcraft negativ auffallen, über die Wertungen bestrafen sollte. Zum Schluss wies sie die Wertungsrichter auf ihre grosse Verantwortung hin, da sie es mit ihrem Urteil in der Hand haben, in welche Richtung sich der Tanzsport weiter entwickelt.

Dass sich Standard und Latein in den grundsätzlichen Betrachtungen zur Tanzqualität kaum unterscheiden, zeigten die Vorträge von Horst Beer und Viktor Nikovsky. Bevor Horst Beer jedoch auf das Geschehen auf der Fläche einging appellierte er an die Wertungsrichter, auch am Flächenrand bei der Ausübung ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit eine gute Figur abzugeben. Zum einen hinterlässt man damit bei den Zuschauern und Paaren eine gute Visitenkarte, gleichzeitig hilft eine gerade positive Haltung auch dabei, die oft sehr langen Einsätze bei voller Konzentration ohne Rückenschmerzen zu überstehen.

Musikalisches, technisch korrektes, energiegeladenes Tanzen, bei welchem die Energie aber nie unkontrolliert aus dem Körper verpufft, sondern richtig dosiert eingesetzt wird, so stellt sich Horst Beer Qualität vor. Er stellte dabei den Vergleich mit einer (energiegeladenen) geschüttelten Cola-Flasche an, die man im Gegensatz zu einem Deckelverschluss mit einem Drehverschluss kontrolliert öffnen und wieder schliessen kann. Bei guten Paaren ist selbst bei schnellsten Aktionen immer auch eine entgegenwirkende Kraft bzw. ein imaginärer Wiederstand sichtbar. Speziell betrifft dies die Armbewegungen, die aus dem Körperzentrum geführt werden sollen und immer vor dem maximalen Bewegungsumfang auch wieder kontrolliert abgebremst werden müssen, statt unkontrolliert über das Ziel hinauszuschiessen. Eindrücklich visualisierten auch hier die Demonstrationspaare die Ausführungen von Horst Beer durch die Gegenüberstellung von guten und weniger guten Beispielen.

Qualität statt Quantität, kontrollierter Energie Auf- und Abbau, Disziplin bei der Körperhaltung und der Bewegungsausführung, Rollenspiel zwischen den Partnern, Licht und Schatten bei der Choreographie indem nicht Höhepunkt auf Höhepunkt folgt, sondern dazwischen auch der „Normalzustand“ herrscht, das sind nur einige der Attribute, mit welchen Viktor Nikovsky gutes Tanzen mit Worten fasste.

Nebst den allgemeinen Betrachtungen zur Tanzqualität ging Viktor Nikovsky noch detaillierter auf den Paso Doble ein. Selbst bei hochklassigen Turnieren besteht dieser Tanz leider oft nur aus einer Mischung aus Stampfen, Rennen, Schreien, Hoch- und Weitsprung. Doch solange dies mit guten Wertungen belohnt wird, besteht bei den Trainern und Paaren kein Handlungsbedarf. Mit charakteristischen, dreidimensional in den Raum projizierten Bildern und Bewegungsketten, lässt sich besonders beim Paso Doble eine für diesen Tanz typische Atmosphäre erzeugen. Die ausgeprägten Bodyshapes, die schmale Silhouette die der Torero (der Tänzer) dem (imaginären) Stier als möglichst geringe Angriffsfläche bietet, die Art und Weise wie man die Capa (d.h. die Dame) in weitem Bogen um das Körperzentrum führt, das sind nur einige der Möglichkeiten, mit welchen die Paare die Wertungsrichter in diesem Tanz überzeugen können. Damit die Wertungsrichter sich dies alles nicht nur vorstellen mussten, gab es auch bei dieser Lecture wieder sehr wertvollen Anschauungsunterricht.

Was von der GOC und dem WDSF-Kongress bleibt sind die vielen Eindrücke und wertvollen Informationen, die sicher einen nachhaltigen Einfluss auf die Wertungsrichter haben werden.

Bericht: Daniel Helbling

 

 

 


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