Die Schweizermeisterschaften 2009: Standard
Das Badener Tanzzentrum und die Happy Dancers Baden haben zur diesjährigen Schweizermeisterschaft in die Trafohalle eingeladen und in der Ausschreibung einen stimmungsvollen Anlass versprochen. Und dieses Versprechen wurde voll und ganz erfüllt. Nicht zuletzt auch dank der Arenabestuhlung fühlte man sich besonders in den Finalrunden am Abend im berühmten Hexenkessel. Im Vorfeld der Veranstaltung wurde diese Bestuhlungsform teils heftig kritisiert. Die Erfahrung bei grossen internationalen Turnieren (u.a. Blackpool, GOC, EM, WM, …) wie auch das Ergebnis in Baden zeigen hingegen, dass diese Einrichtungsvariante ideal für Meisterschaften und Sportturniere ist. Gegenüber der Ballsaalbestuhlung mit Tischen haben weit mehr Zuschauer die Gelegenheit, in der begehrten ersten Reihe zu sitzen. Zudem werden so die Hauptakteure auf ihrer Tanzfläche noch besser in den Mittelpunkt gestellt. Auch dank der professionellen Licht- und Tontechnik und einer perfekten Organisation wurden hervorragende Rahmenbedingungen für die Tanzpaare geschaffen.
Leider wurde die Fläche für eine solche Veranstaltung zu klein gewählt. In diesem Zusammenhang muss allerdings lobenswert erwähnt werden, dass die Badener kurzfristig als Retter in der Not die SM übernommen haben und zu jenem Zeitpunkt die grösseren Hallen bereits ausgebucht waren.
Die zwischen den Runden eingespielten Rückblenden auf 25 Jahre Badener Tanzzentrum und den Schweizer Tanzsport von 1984 bis heute kamen beim Publikum sehr gut an. Informativ und unterhaltend zugleich, eine originelle Idee um das Jubiläum zu feiern. Herzliche Gratulation und weiter so.
Leider waren auch dieses Jahr längst nicht alle berechtigten Paare am Start. Kein Wunder, dass in diesem Zusammenhang immer wieder über eine obligatorische Teilnahme diskutiert wird. Dennoch sorgte das Startfeld für viel Spannung, gaben doch einige neue Paare- / Paarkombinationen ihr SM-Debut oder ein Comeback. Wo werden sich diese im Feld einreihen? Wird das Feld gar neu aufgemischt? Werden sich die geschlagenen Meister der SM 2008 erfolgreich revanchieren? Fragen über Fragen, welche bereits Wochen zuvor und an der Meisterschaft selbst bis unmittelbar vor den jeweiligen Siegerehrungen diskutiert wurden. Für die sieben ausländischen Wertungsrichter/Innen aus sechs Nationen stellten sich hingegen solche Fragen nicht, konnten sie doch unbelastet ihre schwierige Aufgabe wahrnehmen.
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Standard Hauptkategorie (10 Paare)
Mit grosser Spannung wurden die 10 Paare der Standard Hauptkategorie erwartet. Wird das 3-fache Meisterpaar Minnig/Bögi ihren im 2008 an das Paar Buhala/Arnet verlorenen Platz zurückgewinnen oder gelingt den amtierenden Vizemeistern Künzi/Krebs der Durchbruch? Wie fällt das Comeback von Roger Anselmi aus? Wo werden sich die amtierenden Juniorenmeister Niederer/Büchel im Feld der Erwachsenen einreihen?
Die Frage wer von der Vorrunde ins Finale einziehen würde, war rasch beantwortet. Vier von zehn Paaren hatten teils erhebliche Mühe mit dem Takt und disqualifizierten sich somit selbst. Spannender verlief erwartungsgemäss das Finale. Die amtierenden Meister Yulia Arnet und Daniel Buhala setzten die Musik gut lesbar mit charakteristischen Bewegungsabläufen und attraktiven Choreographien um. Im Vergleich zur SM 2008 konnten sie sich im EW, WW und SF besonders in den Punkten Balancen, Körper- und Bewegungskontrolle, Führung und Partnering deutlich verbessern. Im Tango und Quickstep gelang dies hingegen noch nicht ganz so gut. Dennoch konnten sie alle Tänze für sich entscheiden und damit den Titel erfolgreich verteidigen.
Sigrun Bögi und Renato Minnig tanzten gut balanciert, kompakt, kontrolliert, technisch sauber und routiniert, insgesamt aber mit einer zu starren Oberlinie. Dies wirkte sich besonders im EW, WW und SF negativ auf die Dreidimensionalität der Bewegungen und die Freiheit der Dame aus. Beste Tänze waren Tango und Quickstep. Mit allen Tänzen auf Rang zwei, wurden sie klare Vizemeister.
Mit weichen Bewegungen im EW, WW, SF – einem charakteristischen Tango und einem leichtfüssigen, spritzigen Quickstep, präsentierten sich Barbara Krebs und Beat Künzi. Mit grossem Top, grossen Körperaktionen, starken Neigungen und tief getanzten, weiten ausladenden Posen wollten sie die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Doch insgesamt war dies alles „too much“. Denn ihre übertriebenen Aktionen gingen vor allem auf Kosten der Körperlinien und den Balancen. Es gibt nichts dagegen einzuwenden wenn ein Paar grosse, dreidimensionale Bilder passend zur Musik in den Raum projiziert, im Gegenteil. Aber dies muss wohldosiert, ohne negative Einflüsse auf die Tanzqualität geschehen. Barbara und Beat erreichten Rang vier.
Ein starkes Comback gab Roger Anselmi mit seiner neuen Partnerin Marie Anne Wirth. Mit weichen, eleganten Bewegungen im EW, WW und SF ähnlich im Tanzstil wie Krebs/Künzi, vermieden sie deren Fehler und wirkten dadurch besser und dominanter. Im Quickstep waren hingegen noch deutliche Abstimmungsprobleme im Paar sichtbar. Mit EW, WW und SF auf Platz 3, einem geteilten 3. Platz im Tango und dem QS auf Platz 4, erreichten sie den hervorragenden dritten Schlussrang.
Die jüngsten Teilnehmer im Feld Christina Niederer & David Büchel (ein Jugendpaar mit Startberechtigung in der HK), zeigten ein für ihr Alter erstaunlich reifes Standardtanzen. Unbeeindruckt von der Konkurrenz traten sie sicher und mit guter Raumeinteilung und Floorcraft auf.
Viel Gefühl für die Musik und Charakteristik zeigten sie besonders in den klassischeren Tänzen EW, WW und SF. Der Tango wirkte hingegen zu mechanisch, der QS zu verhalten. Verbesserungspotential besteht insbesondere im Bereich Oberlinie, den Körperpositionen und dem Führen und Folgen. Christina und David beendeten die Meisterschaft auf dem 6. Platz, nur zwei Punkte hinter Sae – Chan Chittiporn und Felix Locher, welche eine seriöse Leistung ohne grosse Mängel zeigten, es aber nicht schafften, ihre vorhandenen Qualitäten in den Vordergrund zu stellen.
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Standard Senioren I (10 Paare)
Vom ersten Tanz in der Vorrunde bis zum Quickstep im Finale konnten sich Katharina Egli und Jürg Briner sowie Isabelle und Alexander Florin dank herausragenden Leistungen deutlich von den andern Paaren abheben. Obwohl beide Paare sehr gross sind und mit ihren raumgreifenden Bewegungen entsprechend viel Platz benötigen, wirkten sie dank einer guten Raumaufteilung auch auf der kleinen Fläche nie eingeengt oder limitiert. Wer den Zweikampf für sich entscheiden würde, war bis zum letzten Takt offen.
Isabelle und Alexander tanzten sauber, austrainiert, musikalisch, mit guter Balance und hervorragender Floorcraft, aber einer zu statischen Haltung, besonders bei der Dame.
Katharina und Jürg überzeugten mit einer guten musikalischen Interpretation, charakteristischen, dynamischen Körperaktionen und einer guten Rollenaufteilung im Paar. Gegenüber Isabelle und Alexander tanzten sie agiler, sportlicher, mit mehr Mut zum Risiko, aber dadurch auch weniger präzise, besonders in den Bereichen Balancen, Haltung, Oberlinie und Technik. Schlussendlich konnten Isabelle und Alexander Florin den spannenden Zweikampf mit einem hauchdünnen Vorsprung für sich entscheiden.
Mit gutem Takt, Rhythmus und Musikalität konnten sich auch Anita Wegmüller / Jürg Schöni (Rang 3) und Linda / Thomas Schärer (Rang 4) positiv in Szene setzen. Obwohl gegenüber der SM 2008 verbessert, müssen Anita und Jürg an Haltung, Körperpositionen und Partnering noch weiter arbeiten. Linda und Thomas könnten mit einer differenzierteren Interpretation der Tänze und mehr „light and shade“ ihre Darbietung noch charakteristischer und interessanter gestalten.
Monika Kuhn und Dieter Stohler zeigten in der Vorrunde noch eine ansprechende Leistung, sie brachen aber im Finale ein und konnten den fünften Platz nur knapp gegen Corinne Immenhauser und Claudio Lo Buono verteidigen, welche insgesamt noch konstanter werden müssen..
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Standard Senioren II (5 Paare)
Nur fünf Paare kämpften in dieser Kategorie um Titel und Medaillen. Dass bei dieser geringen Anzahl von Teilnehmern ein direktes Finale ausgetragen werden musste, wurde den Paaren buchstäblich zum Verhängnis. Hektik und Nervosität und die daraus resultierenden mannigfaltigen Folgeerscheinungen prägten weitgehend das Bild dieser Kategorie, besonders im ersten Tanz. Eine Sichtungsrunde wie dies z.B. in Deutschland üblich ist, würde in einem solchen Fall Wunder bewirken.
Unbeeindruckt dieser Umstände konnten Anita und Eduard Rahmen auch dank ihrer grossen Erfahrung das Turnier verdient mit 34 Einsen klar für sich entscheiden.
Ebenso deutlich wurden Beatrice und Kalu Martin Vizemeister. Primär müssen Beatrice und Kalu aber an ihrer Konstanz arbeiten und zwar quer durch alle Wertungsgebiete.
Eng wurde es beim dritten Podestplatz. Mit nur einem Punkt Vorsprung ging die Broncemedaille an Karin und Trevor Kroll vor Christine und Jürg Berchtold. Bei Trevor Kroll ist besonders die Haltung verbesserungswürdig, die oft einen „sitzenden“ Eindruck hinterlässt. Bei Christine und Jürg waren es vor allem die grossen Leistungsschwankungen, welche ein besseres Resultat verhinderten.
Monika Streit und Beat Schmid kamen leider erst mit dem Quickstep so richtig „in die Gänge“. Doch nach vier fünften Plätzen konnte auch der verdiente dritte Platz im QS nichts mehr am Endergebnis ändern.
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Standard Senioren III (10 Paare)
Vom ersten Takt an gingen die Paare ambitioniert ans Werk, wollte man doch den Konkurrenten nichts schenken.
Ihren Meistertitel bestätigen konnten Marlise Reichen und Peter Nydegger. Gute Haltung, Paarposition und Oberlinie, fliessende, schwungvolle Bewegungsabläufe, einen charakteristischen Tango und eine recht konstante Leistung über alle Tänze zeichneten dieses Paar im Finale aus. Dass auch ein Meister nicht immer perfekt sein kann, zeigten Marlis und Peter in der Vorrunde. Sie konnten im EW, WW und SF das Volumen der Musik längst nicht ausschöpfen, da ihre Aktionen viel zu hektisch und oft einen Tick zu früh in der Musik waren. Im Finale konnten sie sich deutlich steigern, dennoch sollten sie mit hoher Priorität weiter am Thema Musikalität arbeiten.
Silvia und Alfred Schott wurden mit einer routinierten Darbietung Vizemeister. Der zu regelmässig getanzte Tango könnte mit entsprechenden Stakkato-Aktionen aber noch besser charakterisiert werden.
Bronze ging an Myrtha Lienhard und Eduard Gaiser. Auch sie sehr routiniert, aber in diesem Jahr doch etwas verhaltener, als man es von ihnen gewohnt ist.
Sabine und Djelloul Bouliche verbesserten sich gegenüber 2008 um 3 Plätze und erreichten mit einer guten Rhythmik in den Schwungtänzen Rang 4. Im Tango fehlten hingegen die charakteristischen Stakkato-Aktionen.
Dass man auch in einem Pyramidensystem als B-Paar zwei S- und ein A-Paar schlagen und damit das Finale erreichen kann, bewiesen mit einer soliden Leistung Elisabeth Haselbacher und Rolf Burkart.
Zwar Regelkonform, für mich aber dennoch unverständlich war der Entscheid der Turnierleitung, den Final mit nur fünf Paaren durchzuführen. Unabhängig davon wo die grossen „Markssprünge“ liegen, sollte man wenn immer möglich das Finale in der ursprünglich vorgesehenen Grösse (im vorliegenden Fall 6 Marks = 6 Paare) austragen.
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Was bei vielen Senioren II und III negativ auffiel, war die Fussarbeit der Herren. Sehr oft „erwischte“ man die Herren mit dem Gewicht auf den Aussenkanten. Nebst dem optischen Mangel hat dies auch negative Auswirkungen auf Balance, Körperkontrolle, Bewegungssteuerung und letztendlich Takt und Rhythmik.
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Generelle Gedanken über alle Kategorien und Klassen
An dieser Stelle möchte ich noch drei Punkte anschneiden, die mir generell aufgefallen sind:
Nach wie vor kann beim Dauerthema Takt und Rhythmus leider keine Entwarnung gegeben werden. Es führt nun mal kein Weg daran vorbei, sich im Training ernsthaft mit diesem Thema zu befassen. Ein grosses Spektrum an Musikstücken mit möglichst unterschiedlichen Tempi gestaltet das Training nicht nur interessanter, sondern es wird auch verhindert, dass man sich im ewig gleichen musikalischen Korsett bewegt.
Überdenken sollten einige Paare ihren sogenannten Tango-Look. Der Gesichtsausdruck sollte letztendlich das Gefühl für diesen Tanz nach aussen tragen und auch den Charakter des Tanzes visuell untermalen. Weshalb aber einige Damen, vor allem aber viele Herren einen künstlich bösen, grimmigen und/oder aggressiven Gesichtsausdruck „aufsetzen“, ist für mich unverständlich.
Verbesserungswürdig ist auch die Wienerwalzer Linksdrehung. Gegenüber früheren Jahren gibt es nun erfreulicherweise schon eine weit grössere Anzahl von Paaren, welche sich im Training ernsthaft und am Turnier auch deutlich sichtbar mit dem Wienerwalzer auseinandersetzen. Leider scheint diese positive Entwicklung bisher noch nicht bei der Linksdrehung angekommen zu sein. Bei vielen Paaren sind so frappante Unterschiede in der Bewegungsqualität zwischen Rechts- und Linksdrehung sichtbar, dass man als Betrachter froh ist, wenn von der Linksdrehung wieder in die Rechtsdrehung zurück gewechselt wird. Dies müsste aber nicht sein. Bei einer konsequenten Umsetzung der Basic-Principles können auch in der Linksdrehung annähernd die gleichen Schwünge sowohl bezüglich Qualität wie auch vom Volumen her wie bei einer Rechtsdrehung getanzt werden.
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Bericht von Daniel Helbling
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